Geschichtlicher Rückblick Wollspinnerei Blunck Bad Segeberg

Ein geschichtlicher Rückblick

1852 gründete Joachim Christian Blunck (* 29. Mai 1826) den Wollspinnerei-Betrieb in Bad Segeberg.

 

In der Spinnerei wurde ausschließlich Wolle aus der Region verarbeitet. Zu Beginn des Industriezeitalters waren die Anfänge bescheiden: Es gab weder Gas- noch elektrisches Licht. Öllampen beleuchteten den Arbeitsplatz. Eigene Brunnen mussten gebaut werden, da die Stadt erst 50 Jahre später eine zentrale Trinkwasserversorgung und 20 Jahre später eine Kanalisation erhielt. Die ersten kleinen Maschinen wurden mit einem Pferde-Göpel angetrieben. Als Göpel oder Göpelwerk wird eine Kraftmaschine bezeichnet, die durch Muskel-, Wasser-, Wind- oder Dampfkraft angetrieben wird. Das Göpelwerk besteht mindestens aus einer meist senkrechten Antriebswelle und aus einem einfachen Getriebe mit einer Abtriebswelle (Quelle: WikipediA).

Einige Jahre später ersetzte, dann eine erste, kleine Dampfmaschine diesen Antrieb. Es musste ein Dampfkessel angeschafft werden. Bald wurde mehr Kraftaufwand erforderlich, es kamen größere Anlagenteile hinzu und eine bei der Segeberger Maschinenfabrik Kletzien (später Behr & Schmölcke) hergestellte Dampfmaschine wurde eingebaut.

 

Über die Jahre erfolgte nach und nach der Umstieg von Diesel- auf Elektromotoren. Bis 1996 sorgte der große Dampfkessel für Wärme in allen Betriebsräumen. Die aus der Region stammende, langfaserige und recht grobe Rohwolle ließ nur die Herstellung von Streichgarn zu.

 

Streichgarn:

Gewaschene Wollfasern werden gemischt, geschmälzt und am Krempelwolf voraufgelöst. Die Auflösung bis auf Einzelfasern erfolgt am zwei- oder dreiteiligen Krempelsatz („Kratzen“). Die vorgelegte Faserschicht wird hier ca. hundertfach verfeinert, einzelne Fasern teilweise parallel gelegt und das ausgehende Vlies am angeschlossenen Florteiler in schmale Bändchen (Vorgarne) zerlegt. Aus dem Vorgarn wird an der Ringspinnmaschine oder (bis etwa Ende des 20. Jahrhunderts) am Selfaktor Garn hergestellt. Das Faserbändchen wird dabei im Streckwerk etwa 1,5-fach, das heißt minimal verzogen. (Quelle: WikipediA)

 

Der Krempelwolf (engl. auch picker) ist eine Maschine in der Wollverarbeitung, das Bearbeiten von Wolle mit dem Krempelwolf bezeichnet man als wolfen. Kern des Krempelwolfs sind ein bis zwei große (bis zu 1 m Durchmesser) Hakenwalzen. Die unbehandelte, ungeordnete (Schur-)Wolle wird den Walzen auf einem breiten Tisch zugeführt, von den Haken mitgenommen und läuft oben um die Walze herum. Auf der anderen Seite wird das Vlies von kleineren Hakenwalzen abgenommen und der Weiterverarbeitung zugeführt. (Quelle: WikipediA)

Viele der zugekauften Maschinen mussten von den Mitarbeitern an dieses Material angepasst werden. Die jeweiligen Inhaber wurden auch zu Maschinenbauern. Das Ergebnis waren eigene Fertigungstechniken, die den erforderlichen Produktionsprozess, insbesondere die Herstellung eines gleichmäßigen Feingarnes möglich machten.

 

Für den Betrieb einer Wollspinnerei waren umfangreiche, fundierte Kenntnisse notwendig. Die Nachfahren Carl, Friedrich, Otto und Alfred Blunck besuchten die entsprechenden Fachschulen in Lamprecht, Reutlingen, Cottbus und Aachen. So konnte eine fachlich qualifizierte und verantwortungsvolle Führung des Familienunternehmens über Generationen gewährleistet werden. Da für große Aufträge ausgebildete Fachkräfte erforderlich waren, die in Bad Segeberg nicht zur Verfügung standen, wurden Arbeiterinnen und Arbeiter ausgebildet.

 

Eine Maschinenweberei war dem Betrieb angegliedert, in der dicke Wollstoffe für Decken in großen Mengen hergestellt wurden. Es handelte sich um Bett-, Pferde- und Wagendecken aus sogenanntem Beiderwand-Stoff.

 

Beiderwand (auch Halbwollenlama oder Beidergemeng) ist ein schweres Mischgewebe in Leinwand- oder auch Köperbindung. Beiderwand war im 19. Jahrhundert ein verbreitetes Material für bäuerliche Trachten. Vor allem in Hessen, dem Odenwald und der Rhön wurde es für Faltenröcke, Kniehosen und Mäntel verwendet, war aber auch in Nord- und Süddeutschland verbreitet. (Quelle: WikipediA)

 

Die Köperbindung (auch kurz Köper oder Twill) ist – neben der Leinwand- und der Atlasbindung – eine der drei Grundbindungsarten für gewebte Stoffe. Köperbindungen sind am schräg verlaufenden Grat zu erkennen. Das bekannteste Gewebe in Köperbindung ist der Denim, der blau-weiße Jeansstoff. Verläuft der Grat von links oben nach rechts unten, spricht man von einem S-Grat-Köper; verläuft er von links unten nach rechts oben, handelt es sich um einen Z-Grat-Köper, entsprechend der Ausrichtung des Mittelteils der beiden Buchstaben.

 

Außerdem wird zwischen Kett- und Schussköper unterschieden, je nachdem, ob die Kett-oder Schussfäden oben überwiegen. Der Weber nennt die obere Seite beim Weben auf der Maschine oder dem Webstuhl das „rechte Warenbild“. Der bekannte Denim zum Beispiel ist ein Kettköper: Die Kette ist blau, der Schuss weiß. (Quelle: WikipediA)

Diese Decken kamen zum Einsatz bei Kutsch-, Schlitten- und Autofahrten, da die frühen Autos ohne Heizung waren. Das änderte sich durch den Einbau von Zentralheizungssystemen und der Fertigung von Kraftfahrzeugen mit Heizung.

 

Später in der Unternehmensgeschichte kam eine Maschinenstrickerei dazu. Hier wurden außer Strümpfen auch Jacken, Handschuhe, Schals und Mützen hergestellt. Der Verkauf fand überwiegend im Ladengeschäft des Vorderhauses der Wollspinnerei in der Kurhausstr. 36 (ehem. Kieler Str.) statt. Im Angebot waren damals moderne Stricksachen jeder Art in großer Vielfalt. Es wurde zu dem Spezialgeschäft für Wolle, Strickmoden, Wäsche und Zubehör in Bad Segeberg. Die Verkäuferinnen waren bestens vertraut mit der Kundschaft, so dass sich das Warenangebot nach deren Wünschen und Ansprüchen entwickelte und zu einer großen Zahl von Stammkunden führte.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nach Aussagen von Alfred Blunck in Schleswig-Holstein noch etwa 20 Wollspinnerei-Betriebe. Der wirtschaftliche Aufschwung, der technische Fortschritt, die wachsende Kaufkraft und die damit verbundenen, sich schnell wandelnden Verbraucherwünsche veränderten Schritt für Schritt nicht nur die deutsche Industrielandschaft. Dies galt auch für die Textilherstellung. Zunehmend wurde in anderen Ländern der Welt kostengünstiger und in wesentlich größeren Unternehmen gefertigt. Auch der schnelle Wandel des Modegeschmacks hat zu einer zurückgehenden Nachfrage von kräftigen und strapazierfähigen Wollprodukten beigetragen.

 

Bis Anfang 2000 wurden in der Wollspinnerei Handstrickgarne, Garne zum Handweben sowie zum Filzen produziert. Die Produktions- und Absatzzahlen gingen weiter zurück. Zu Beginn der 2010er Jahre wurden die Fertigung und der aktive Unternehmensbetrieb schrittweise eingestellt. Nach 169 Jahren erfolgte dann 2021 die endgültige Abmeldung der Wollspinnerei aus dem Handelsregister.